MEHR ALS MODE
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Der Kitzbüheler Couturier Kaspar Frauenschuh über Leder, Lebenskunst und wahren Luxus.
Kaspar, erzähl doch mal, wie das alles angefangen hat, mit der Firma Frauenschuh?
1950 gründete mein Vater eine Ledermanufaktur in Kitzbühel. Die zentralen Produkte damals waren Sämisch Leder und unser klassischer Lammfellmantel. 1974 eröffneten wir das erste Modegeschäft, und brachten wenige Jahre später große Designer-Namen nach Kitzbühel: Jil Sander, Helmut Lang, Gucci, Armani und Prada. Nach wie vor ist aber Leder „unser Ding“.
Was magst du am Produkt Leder?
Mir gefällt, wie Leder mit der Zeit eine Patina entwickelt. Ich habe kein Problem damit, wenn Leder Flecken bekommt oder anders in Mitleidenschaft gezogen wird, denn so entwickelt es einen unverwechselbaren Charakter: Es erzählt etwas.
Wofür steht Frauenschuh?
Frauenschuh ist fröhlich, freundlich, friedlich, frei und: ein bissel frech. Wenn uns das gelingt, dann ist mein Lebenstraum erfüllt.
Was bedeutet für dich Modernität?
Modern ist für mich nicht gleichbedeutend mit modisch. Wenn etwas modern ist, dann ist es zeitgemäß, beständig – in einem bestimmten Sinn sogar zeitlos. Moden sind vergänglich, sie kommen und gehen, das Moderne aber bleibt.
Unsere Fleece-Jacke zum Beispiel haben wir seit 1997 im Programm. Es dauerte eine gewisse Zeit bis sie sich bei unseren Kunden etablierte, aber mittlerweile ist sie fixer Bestandteil unserer Kollektion. Natürlich hat sie auch Entwicklungen durchgemacht: von Polyester über verschiedene Wollmischungen bis hin zu unserer ganz eigenen Walk-Qualität auf Basis von Merino-Wolle, die sehr warm, weich und angenehm zu tragen ist. Auch in Schnittweite und Volumen ist die Frauenschuh-Fleecejacke mit der Zeit gegangen.
Welchen Anspruch haben Kunden an die Marke Frauenschuh?
Unsere Kundschaft ist verwöhnt und hat ganz bestimmte Ansprüche an unsere Produkte: einerseits soll es typisch Kitzbühlerisch, also leicht „bergig“ sein, andererseits ist die Ausführung in modernen Materialien gewünscht. Unsere Marke wird mittlerweile weltweit in 112 Geschäften verkauft, besonders in der Schweiz und in Colorado verkauft sie sich besonders gut.
Welchen Anspruch stellst du selbst an das Unternehmen?
Der erste ist einmal Funktionalität. Ich will, dass bei Bekleidungsstücken die Knöpfe nicht abfallen, ich will funktionierende Reißverschlüsse.
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Das zweite ist Wiedererkennungswert. Man erkennt sofort: das ist ein Frauenschuh-Teil. Das Familiäre ist mir wichtig. Die Familie ist ein Beziehungsraum für mich, noch dazu ein limitierter.
Das vierte ist die Umwelt: Ich wünsche mir, dass wir aufwachen, denn dazu ist es höchste Zeit. Die Umwelt schließt auch die Tiere mit ein, deren Leder wir verarbeiten – sie kommen aus artgerechter Haltung. Ich achte auch darauf, dass bei der Herstellung unserer Produkte keine Giftstoffe verwendet werden. Zu guter Letzt ist es mir ein Anliegen, dass die Menschen in der Herstellung nicht ausgebeutet werden und respektvoll behandelt werden.
Frauenschuh steht für kompromissloses Qualitätsdenken. Wo beginnt dieser Zugang in Bezug auf die Produktion?
Das ist so wie beim Hausbauen: da fängt man beim Fundament an. Das Fundament in der Mode ist die Materialität, die Hochwertigkeit der Grundsubstanz. Ich habe leider festgestellt, dass dies heute gar nicht mehr so wichtig ist. Das war bei mir noch ganz anders: Ich habe von meinem Vater, der mir sein gesamtes Know-how weitergegeben hat, eine wirklich fundierte Berufsausbildung erhalten. Meine beiden Kinder studieren beide in New York, mein Sohn Fashion Management und meine Tochter an der Parsons School of Design. Dort ist Materialität gar kein Thema mehr. Kaum jemand weiß noch wie ein Schuh gemacht wird, der zum Beispiel den traditionsreichen Standards der Schuhmacher in Venedig oder in Spanien standhält.
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Wo holst du dir Inspiration?
Natürlich bin ich viel unterwegs in Paris, New York und London. Wenn du viel in der Welt unterwegs bist, entwickelst du ein anderes Bild von unserer kleinen Stadt. Mir fallen oft Kleinigkeiten an Kleidungsstücken auf, die ich mir merke und aus diesem Pool an inneren Bildern hole ich mir dann das heraus, was zu uns und unserer Identität passt. Zur Zeit fällt mir wieder auf, wie kreativ und frei etwa die Japaner ihren Bekleidungsstil aus Tradition und Moderne mischen.
Was bedeutet für dich Luxus?
Luxus definiert sich heutzutage anders als noch vor wenigen Jahrzehnten, wenn Du mich fragst. Mir gefällt nicht, wie sich unsere Gesellschaft gerade entwickelt. Im Moment sind wir beschäftigt mit: Gier, Geilheit, Geld. Wenn ich mir die Entwicklung hin zum industriellen Massentourismus anschaue, finde ich das auch bedenklich. Ich gehe zum Beispiel sehr viel auf Skitouren. Am 2. Mai war ich heuer mit einem Freund am Brechhorn (2032 m). Als Jause haben wir uns Schnitzelbrote und Weißbier von daheim mitgenommen. Nach der Gipfelrast haben wir uns genüsslich auf unseren Figl-Skiern (kurze Ski zum Firngleiten; Anm.) über die ersten steilen Hänge hinuntertreiben lassen. Es war ein einmaliges Erlebnis, und was hat es uns gekostet? Nix!
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(Interview für KitzMix Magazin, Winter 2017/18)
Fotos: Boo George und Firma Frauenschuh. Herzlichen Dank an Andrea Silberberger
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