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::: DAVID KREINER :::

AM BERG FÄLLT DIE MASKE

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David Kreiner (*1981) aus Kitzbühel ist mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger in der Nordischen Kombination, Bergführer und ein rundherum ausgeglichener und angenehmer Mensch. Im Interview erzählt er über Patagonien, Nepal, innere Hygiene und Kletter-Routen zwischen Genie und Wahnsinn.   (für KitzMix Winter 17/18)

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David, du hast eine erfolgreiche Sportkarriere hinter dir, womit verbringst du deine Zeit seit der aktiven Laufbahn?

Mit der Arbeit an mir selbst. Ich lese viele Bücher und überprüfe gerne für mich selber deren Wahrheitsgehalt. Auch meine Tätigkeit als Bergführer habe ich eigentlich ganz egoistisch begonnen, weil ich selber besser werden wollte am Berg. Nach und nach habe ich dann entdeckt wie viel Spaß es macht, seine Leidenschaft mit anderen zu teilen.

Wo bist du unterwegs in den Bergen?

Natürlich bietet sich aufgrund seiner Nähe der Wilde Kaiser an. In seinen Wänden ist Alpingeschichte geschrieben worden. Ich kenne viele der klassischen Routen von Dülfer oder Rebitsch.

Gerade gestern war ich wieder in einer Route am Fleischbankpfeiler, die zum Fürchten ist, und die der Zillertaler Kletterer Darshano L. Rieser erstbegangen hat. Sie ist so schwierig und ausgesetzt, sowas brauche ich auch nicht jeden Tag. Solche Routen sind entweder für Genies oder für Wahnsinnige, ich bin mir da nicht so sicher (lacht). Ich zähle mich zwar zu keiner der beiden Gruppen, habe aber Respekt vor beiden.

Trotzdem war ich heute zum Ausgleich ganz gemütlich in den Südbergen wandern.

Der Brixlegger Hias Rebitsch (1911 – 1990), den du gerade erwähnt hast, war für seine extremen Erstbegehungen und seine motorische Eleganz bekannt, er war aber auch ein belesener Philosoph und Höhenarchäologe in den Anden. Wie wichtig ist es für dich, gesamtheitlich zu leben?

Ich denke, da sagt schon die Wahl meiner Sportart alles: Nordische Kombination habe ich eine Zeitlang ausgeführt, aber Kombinierer werde ich immer sein. Bei ersterem zählen so unterschiedliche Aspekte wie Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer, Präzision. Auch im Leben müssen wir ganz unterschiedliches vereinen.

Du magst den Begriff Ehrgeiz nicht so gerne. Womit würdest du ihn ersetzen?

Ich ziehe mir immer gern Begriffe wie Zielstrebigkeit aus dem Bergsport als Analogie heran, weil ich dazu konkrete Erlebnisse habe.

Wenn jemand voller Ehrgeiz beim Klettern mit dem Kopf durch die Wand will, dann liegt er bald unten. Auch das habe ich schon miterlebt. Glücklicherweise setzt meistens der Mechanismus der Angst ein, bevor man das Schicksal so weit herausfordern kann. In der Wirtschaft oder im gesellschaftlichen Alltag wird Ehrgeiz noch eher akzeptiert, obwohl er auch seelische Verletzungen verursachen kann. Aber da verliert man eben nur Freunde, Geld oder Gesundheit, und nicht gleich das Leben, wenn es schief geht.

Am Berg ist das spannende: Alle materiellen Errungenschaften und akademischen Titel helfen dort oben rein gar nichts. Der Berg zwingt dich, offen zu legen, was du drauf hast. Die Maske, die man im Tal trägt, fällt dann oft sehr schnell. Wenn du dich bei einer 4-er Route fürchtest, dann hast du eben Angst. Punkt.

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Feuerland: David Kreiner in Patagonien, Mai 2017

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Vor zwei Jahren warst du nach dem Erdbeben in Nepal bei einem Hilfsprojekt mit dabei, nicht wahr?

Genau. Bei dieser Reise in der Gegend des Manaslu (8163 m) waren der Axel Naglich, Hannes Arch (1967 – 2016), Wulf Kruetschnigg, mein Vater und noch ein paar andere mit dabei: eine lässige Truppe, in der es viele gute Gespräche gegeben hat.

Mir war es wichtig, Land und Leute kennenzulernen. Oft neigen wir ja dazu, andere Weltgegenden mit Hilfsangeboten zu beglücken. Wenn jemand zu uns her käme und uns erklären würde, dass so viele Felder brach liegen, würden wir wahrscheinlich auch sagen: „Ja, mach nur, aber uns g’freut’s nicht!“ Ich würde sogar sagen, ich habe von den Nepalis mehr gelernt als umgekehrt.

Namasté: Peter (l.) und David Kreiner in Nepal

Was hast du gelernt?

Überall wo ich bisher hingereist bin und einfache Lebensumstände vorgefunden habe, bin ich fast nur Menschen begegnet, die viel lachen und zufrieden sind. Uns Westlern fällt zunächst mal die mangelnde äußere Hygiene auf, aber für die innere Hygiene sorgen einfache Völker besser als wir, und denken sich vielleicht auch manchmal: „Da könnt’ man aber noch ein bissei putzen!“

Du warst auch schon in Patagonien klettern. Wie hat dir diese Landschaft im äußersten Süden Südamerikas gefallen?

Patagonien ist für mich ein Land der Dualität, dort gibt’s nur „entweder oder“. Da fragst du dich oft, während du auf einer Gletscherzunge dahinrutscht: „Was tue ich eigentlich hier?!“ und im nächsten Moment siehst du die erleuchteten Granitnadeln und denkst, es gibt keinen schöneren Anblick auf der Welt.

Wir waren fast einen Monat dort und lebten im kleinen Ort El Chaltén, der für mich überhaupt keinen Charme besitzt. Da sitzt du bei ungünstigem Wetter tagelang in irgendeinem Hostel und kannst nichts tun. Wir hatten schließlich Glück und bestiegen den Fitz Roy sowie den Cerro Standhardt. Psychologisch fordernd ist auch das Wissen, dass dich niemand, auch kein Hubschrauber, holen wird, falls etwas passiert.

Was macht für dich den Charme von Kitzbühel aus?

Die Natur und die Weltoffenheit. Ich bin schon so viel herumgekommen auf der Welt. Immer wieder treffe ich Leute, die sagen: „Daheim ist’s am schönsten!“ Ich denke mir dann immer: „Ja, und bei uns stimmt’s.“ (lacht)

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www.david-kreiner.at

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Kaisergebirge: Klassische Ansicht vom Hahnenkamm in Kitzbühel
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