DAS WORT IST VERBUNDENHEIT
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Der ehemalige Chefrocker der „Alpinkatzen“ hat sich mit eigenwilligen, kulturübergreifenden Musikprojekten und feingestimmten Filmscores (Schlafes Bruder) schon lange freigespielt und ist eine der wenigen öffentlichen Personen in Österreich, die mit medienkritischen und wirtschaftspolitisch heiklen Statements zum Thema Tibet und chinesische Besatzung nicht hinterm Berg halten: Seit Mitte der Neunziger ist der Ausseeländer um das Anliegen der verschwindenden tibetischen Kulturgemeinschaft, hierzulande Repräsentation zu finden, erfolgreich bemüht.
Zum „Making Of“ der Ausstellung „Peter Aufschnaiter und Tibet“ in Kitzbühel fand er für ein ausführliches Gespräch Zeit: Mit seinem selbsterwählten Seelenverwandten Aufschnaiter teilt Hubert von Goisern die angenehme Ausstrahlung eines zurückhaltenden Mannes, der schon viele Wege alleine gegangen ist und geistige Unabhängigkeit als Voraussetzung für eine freie Sicht auf die Dinge der Welt früh für sich entdeckt hat.
Gerade von einer vierwöchigen Afrikatournee zurückgekehrt, wirkt er erschöpft aber konzentriert. Gekleidet in eine schwarzweiß gemusterte Wolljacke und in Begleitung seines beinahe meditativ gutmütigen Schlittenhundmischlings Bongo, der die Schnauze auf die schnürsenkellosen, schweren „Goiserer“-Bergschuhe seines Herrn bettet, zündet er sich trotz leichter Erkältung eine selbstgedrehte Zigarette an. Als ob ihm persönliche Distanz zu seinem Gegenüber unangenehm wäre, bietet er mir das „Du“-Wort an.
(Stadtzeitung Kitzbühel, 2002)
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Das Gebirge prägt sowohl die Landschaft Tibets wie auch die Tirols, der Heimat von Peter Aufschnaiter. Wie wichtig sind Berge in deinem Leben?
Die sind enorm wichtig für mich. Das hat sicher auch damit zu tun, dass ich in ihnen aufgewachsen bin – wäre ich am Meer geboren, würde ich wahrscheinlich dem Wasser so innig verbunden sein. Ein Nomade wird sicher ähnlich für die Wüste empfinden. Bei mir sind es eben die Berge. Wenn ich länger keine sehe, gehen sie mir ab. Die flachste Gegend, in der ich gelebt habe, war Toronto, wo ich fast ein bisschen depressiv geworden bin, weil mir die Berge so gefehlt haben. Mir wurde empfohlen, ich solle doch rauffahren auf den Toronto-Tower – das war es dann aber auch nicht wirklich… (schmunzelt)
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„Gerade in Zeiten, in denen sich alles ökonomisch auszahlen muss, tut es gut, so etwas sinnloses zu tun, wie auf einen Berg zu steigen.“
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Was reizt dich am Bergsteigen?
Beim Aufstieg auf den Berg, wenn man sich ein wenig quält und schwitzt und sich ganz auf die Atmung konzentriert, lässt man sehr viel überflüssigen Ballast zurück – Alltagsprobleme, die hinter einem ganz klein und unbedeutend werden, wie die Autos im Tal drunten. Man steigt immer ein Stückchen weiter auf, nähert sich einem Gipfel und kann dabei runterschauen auf die niedrigeren Berge, das ist fast wie eine Reinigung. Gerade in Zeiten, in denen sich alles ökonomisch auszahlen muss, und was sich nicht „rentiert“ einfach wegrationalisiert wird, tut es gut, so etwas Sinnloses zu tun, wie auf einen Berg zu steigen und wieder runterzugehen.
Wann hast du begonnen, dich für Tibet zu interessieren?
Über Tibet habe ich schon sehr früh gelesen und mit vierzehn habe ich so einen kleinen Blechglobus geschenkt gekriegt, da habe ich zunächst geschaut was es so alles gibt auf der Welt und wo man überall hinfahren kann. Da drauf waren die Bergregionen braun angemalt und ich habe den Globus herumgedreht um zu sehen, wo die höchsten Berge sind und dann habe ich Tibet gesehen: der braunste Fleck auf der Kugel.
Wann warst du zum ersten Mal in Tibet?
Vor sieben Jahren. Als ich 1995 mit Tseten Zöchbauer (Betreiberin des Tibetischen Kulturhauses in Wien; Anm.) hinflog, war ich zunächst fasziniert von der Kargheit und Weite dieses Landes und erschüttert über die Situation, in der die dort verbliebenen Tibeter leben müssen. Tseten, die ja Tibeterin ist und mit zwei Jahren nach Europa auswanderte, hat lange Zeit große Angst gehabt, zurückzukehren. Ich konnte sie beruhigen: Da sie Schweizer Staatsbürgerin ist und ich eine öffentlich bekannte Person, würde es für großes mediales Aufsehen sorgen, falls uns etwas zustoßen sollte. Das war unser Schutz.
Wie seid ihr euch eigentlich begegnet?
Ich habe sie 1994 in Saalfelden kennengelernt, als sie bei mir anfragte, ob ich nicht die „Schutzherrschaft“ über ihre Kindertheatertruppe übernehmen wolle. Ich habe nach kurzem Überlegen, ob sich so eine Patenschaft bei mir überhaupt zeitlich ausgeht, zugesagt und seither sind wir eng befreundet.
Wie ging eure Reise weiter?
Dort angekommen, musste ich mich zunächst daran gewöhnen, dass die Durchschnittsmeereshöhe bei etwa 3500 Metern liegt. Die ersten zwei Wochen kann man kaum Schlaf finden und spürt den Sauerstoffmangel so stark, dass einem alles wie eine Vision vorkommt. Unter diesen Umständen war die Erfahrung des Besatzungsalltags noch ärger.
Wenn man bedenkt, wie karg die tibetische Landschaft ist, ist es wirklich absurd, dass gerade so ein Land besetzt wird. Das ist so als würde jemand beschließen, den Großglockner zu besetzen, um dort Bodenschätze abzubauen. Aber mit einem gewissen Abstand betrachtet, haben die Chinesen infrastrukturell schon einiges geleistet. Und es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass die Gesellschaftssituation vor dem Einmarsch nicht nur leiwand (toll) war.
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„Ich bin über das Stadium hinaus, eine Religion zu brauchen, um an das Göttliche zu glauben.“
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Ich habe das auch gemerkt als ich in Dharamsala (Exil seiner Heiligkeit des Dalai Lama im nördlichen Indien) war: Es gibt dort ein unglaublich hierarchisches System mit alteingesessenen Adelsgeschlechtern. Dort habe ich enorme Kämpfe mit dem damaligen Direktor des tibetischen Kulturinstitutes ausgestanden.
Worum ging es da?
Ich wollte, dass die Musiker mit denen ich an der Platte („InExil“, Ariola, 1995) zusammengearbeitet habe am Verkauf derselben beteiligt sind, worauf jener meinte, das müsse alles er kriegen um es als Leiter des Institutes umzuverteilen. Da sind dann, überspitzt gesagt, zwanzig Nasenbohrer unterwegs und vier Leute, die wirklich wunderbare Musiker sind und die Anstrengung auf sich genommen haben, die Platte einzuspielen – ein Prozess, bei dem wochenlang Kreativität gefragt ist. Ich fand, nur die vier, die etwas wollen und können, sollten auch davon profitieren. Das hat der nicht verstanden und gegen mich intrigiert bis zum Gehtnichtmehr. Es war mein Glück, den Dalai Lama zu kennen, der sich dann für mich eingesetzt hat, aber es hat Wochen gedauert, bis der Kulturinstitutsleiter aufgehört hat zu opponieren.
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Welchen Eindruck macht der Dalai Lama auf dich?
Der ist echt super! Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Zeit und ein ganz, ganz lieber Mensch, der es auch nicht einfach hat: Er steht an der Spitze einer strengen Hierarchie, die oft sehr pedantisch und traditionell ausgeprägt ist.
Er ist sehr interessiert an allem, unglaublich offen und betrachtet sich trotz seiner göttlichen Attribute auch nur als Mensch unter Menschen. Für den tibetischen Hofstaat in Dharamsala gilt jedoch das Wort des Dalai Lama als unumstößlich, so wie es in der katholischen Kirche ja auch heißt, „der Papst kann sich nicht irren!“.
In einem seiner Bücher hat er sich kritisch über die Praxis der Orakelbefragung geäußert, denn in der tibetischen Tradition wird dieses Ritual bei jeder Kleinigkeit, ob man nun nach links oder nach rechts gehen soll, herangezogen. Darauf angesprochen meinte die Theologenschaft, das sei ein Übersetzungsfehler!
Bist du selbst praktizierender Buddhist?
Was ich sehr mag, ist der Respekt, den die Buddhisten allem Lebenden – und auch den Toten – entgegenbringen. Ich würde mich jedoch nicht als Buddhist bezeichnen, und auch nicht als Christ.
(überlegt) Oder besser: Ich bin soviel Buddhist wie ich Christ bin. Im Buddhismus gibt es die Lehre von den drei Fahrzeugen und das sollten Religionen ja eigentlich sein: Fahrzeuge, auf denen man sich Gott nähert. Schlimm wird es dann, wenn von einem verlangt wird, das Fahrzeug selbst anzubeten, wie es ja auch die Kirche im Glaubensbekenntnis fordert, denn ich finde das kann es nicht sein. Ich bin sogar der Ansicht, dass ich über das Stadium hinaus bin, eine Religion zu brauchen, um an das Göttliche zu glauben.
Aha!
Das betrifft aber jetzt nicht alle, sondern mich. Es gibt eben viele Menschen, die brauchen das, weil es sehr schwer ist, heutzutage an Gott zu glauben ohne Religion. Manchmal wünsche ich mir auch so etwas gemeinschaftliches, wie früher, als ich noch gerne in die Kirche gegangen bin. Dort habe ich mich wohlgefühlt, mit anderen zu beten und diese Verbundenheit zu spüren. Das ist das Wort: Verbundenheit.
Ich denke im Grunde haben die beiden Religionen sehr viele Elemente gemeinsam, aber meines Wissens, und das ist sehr begrenzt, gab es nie einen Krieg, den Buddhisten geführt haben, um ihre Konfession zu verbreiten – so wie das Christentum oder der Islam. Es ist kein missionarischer Glaube und das macht ihn mir so viel sympathischer.
Und wie geht es dir damit, Österreicher zu sein?
Na, im Moment kann man ja zum Glück sagen „Ich bin Europäer“. Das ist ein Vorteil, der sich aber auch langsam zu einer Falle entwickelt: Wenn man jetzt drei Wochen in Afrika unterwegs ist, wird einem auch bewusster, wie die „Festung Europa“ ausgebaut wird.
Aber im Grunde glaube ich, du wirst, egal wo Du hingehst, denselben Prozentsatz an Idioten und wunderbaren, herzlichen und intelligenten Menschen finden.
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www.hubertvongoisern.com
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Tibetische Gemeinschaft in Österreich
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Foto: Janine Guldener
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